An Deutschlands Küsten hat sich eine Küche entwickelt, die einfach, bodenständig und deftig ist. Gute Hausmannskost kommt auf den Tisch, was jedoch nicht bedeutet, die Speisen wären nicht lecker oder gesund. Der Grund dafür liegt in der Historie. Eine Mahlzeit musste bei den Fischern und Landarbeitern nahrhaft sein und sättigen. Darüber hinaus hatten sie nicht viel Geld, um sich teure Lebensmittel zu kaufen, die nicht aus der Region stammten. Somit kam all das auf den Teller, was die Region hergab. Rüben, Kohl, Kartoffeln und Fisch dienten als Hauptnahrungsmittel. Bis in die frühen Jahren des 20. Jahrhunderts war Hering mit Kartoffeln ein Standardgericht für Bauern und Fischer. Viele Jahrzehnte lang war der Hering verpönt. Nur arme Menschen würden ihn verspeisen. Das hat sich längst geändert: Hering ist heute wieder ein Leibgericht, das auch in guten Restaurants serviert wird. Ein besonderes Highlight ist die Heringswochen auf Usedom, die jedes Jahr im April stattfinden. Im September dreht sich alles um Tüfte: Hinter dem urigen Begriff verbirgt sich nichts anderes als die allseits begehrte Kartoffel.
Gourmets werden staunen
Kurz nach der Wende hatten die Restaurants nur wenige lokale Gerichte auf der Speisekarte. Stattdessen gab es internationale Genüsse. Sie sind zwar immer noch erhältlich, aber seit Jahren gibt es einen verstärkten Fokus auf regionale Spezialitäten. Warum? Die Gästen wünschen sich dies und sie entsprechen dem andauernden Gastrotrend »Back to the roots«. Gern werden die Speisen nach alten Familienrezepten zubereitet. Sogar ausgemachte Gourmets sind von diesen Gerichten begeistert, weswegen zahlreiche Restaurants Usedoms lobend in Gastronomieführern erwähnt werden.
Fokus fangfrischer Fisch
Die Meeresnähe erlaubt, vor allem fangfrischen Fisch zu servieren. Und das Beste daran ist: Der Genießer erhält nicht nur Ostseefische wie Flunder, Hering oder Dorsch, sondern profitiert auch von dem Fischreichtum des Peenestroms, des Achterwassers und des Kleinen Haffs. Somit bereichern ferner delikate Süßwasserfische wie Zander, Barsch, Hecht und Karpfen den Magen. Eine Faustregel besagt, dass die Flunder insbesondere in Monaten ohne den Buchstaben »R« gut munden würde. Im späten Frühjahr sollte die Wahl auf den Hornfisch erfolgen. Er schwimmt nur zum Laichen in die Ostsee, da er eigentlich im Atlantik und Mittelmeer lebt. Eine wahre Delikatesse für Feinschmecker ist der Ostseeschnäpel. Der ebenfalls als Steinlachs bezeichnete Fisch begeistert durch ein festes, aromatisches Fleisch. Vor allem im November und Dezember ist er erhältlich.
Außergewöhnliches und Wildes
Einige Usedomer Gerichte sind für Gäste etwas gewöhnungsbedürftig, da süßsaure Aromen nicht von jedem Gaumen gemocht werden. So reichern die Köche einige Hauptgerichte mit Zucker oder Rosinen an. Sehr beliebt ist zudem die ukrainische Spezialität Soljanka, die zu DDR-Zeiten in vielen Restaurants auf der Speisekarte stand. Die Fleischsuppe ist nahrhaft und erhält durch Gurken, saure Sahne und Zitrone eine säuerliche Note. Alle Fischverweigerer dürfen sich auf Wildgerichte freuen, denn die Wälder Usedoms sind extrem tierreich. Die Wildwochen auf der Insel beginnen im Oktober.
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